Behandlungsfehler oder nicht? Die wichtigsten Begriffe und Beispiele im Arzthaftungsrecht lesen Sie hier!

Im Arzthaftungsrecht kommen zwei Berufsgruppen zueinander, die sich gerne einer Sprache bedienen, die außer ihnen keiner spricht. Dies führt zwangsläufig zu Missverständnissen. Nur die wenigsten medizinischen Sachverständigen kennen die juristische Definition eines Behandlungsfehlers. Ob der Arzt am Ende haftet, hängt manchmal von einzelnen Worten ab, um die in einer aufreibenden mündlichen Verhandlung gerungen wird. Für den Patienten ist diese Situation sicher angenehmer, wenn er zumindest einige der wichtigsten Begriffe des Medizinrechts kennt. Natürlich ist es Aufgabe des Anwalts, seinen Mandanten immer informiert zu halten und gut auf das Verfahren vorzubereiten.

Das ist jedoch oft gar nicht so einfach. Ein Beispiel, welches zeigen soll wie verwirrend die einzelnen Begriffe für den Laien sein können:

Ein Behandlungsfehler kann ein einfacher oder ein grober Behandlungsfehler sein. Ein Diagnosefehler kann auf einem Befunderhebungsfehler beruhen. Der Befunderhebungsfehler wiederum kann wie ein Behandlungsfehler zu behandeln sein. Natürlich ist die Behandlung, wenn der Arzt die falsche Diagnose stellt, nicht die Richtige, aber ist sie deshalb automatisch ein Behandlungsfehler? Natürlich nicht ruft der Anwalt, der Patient fragt sich aber verzweifelt: Wie kann denn etwas kein Fehler sein, das falsch ist?

Die Antwort ist: Falsche Diagnose ist nicht gleich falsche Diagnose. Es gibt vertretbare und nicht vertretbare Diagnosen und es gibt fundamentale Diagnosefehler. Wenn man genau hinschaut, bietet sich dem Patienten wenig Griffiges. Es ist sehr viel Wertung mit im Spiel, wenn ein Richter darüber Urteilt, ob die Diagnose noch irgendwie vertretbar war.

Hier einige Begriffe, die häufig fallen, wenn sich Patienten mit ihren Ärzten streiten. Achtung: Dies ist keine fachlich korrektes Glossar, sondern für den Laien gedacht, um eine grobe Übersicht zu bekommen.

 

Aufklärung

Der Arzt muss grundsätzlich den Patienten vor Beginn einer Behandlung über deren Risiken und Alternativen aufklären. Fehlt es an einer wirksamen Aufklärung, hat der Patient grundsätzlich nicht wirksam in die Behandlung eingewilligt. Eine Operation, selbst wenn sie nach bestem Facharztstandard durchgeführt wird, ist eine strafbare (gefährliche) Körperverletzung. Trotz dieser Konsequenz wird die Aufklärung in der Praxis eher vernachlässigt.

Warum gibt es dann nicht erfolgreiche Schmerzensgeldklagen wie Sand am Meer?

Dafür gibt es viele Gründe, drei von ihnen seien hier genannt:

  • Die Aufklärung muss nur im Großen und Ganzen vorgenommen werden. Es gibt also ganz viele Risiken, über die gar nicht gesprochen werden muss.
  • Der Kläger muss beweisen, dass sein Schaden durch die Behandlung verursacht wurde, in die er nicht wirksam eingewilligt hat.
  • Oft kann der Arzt seine Haftung dadurch abwenden, dass der Patient bei ordnungsgemäßer Aufklärung die Behandlung trotzdem durchgeführt hätte.

 

Behandlungsfehler

Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Arzt den Patienten nicht so behandelt, wie man es von einem Arzt seiner Facharztrichtung erwarten kann. Ein Orthopäde muss so behandeln, wie es Standard ist unter Orthopäden, ein Hausarzt (nur) wie ein Hausarzt. Was allerdings gerade Standard in der Orthopädie ist, oder dem jeweiligen Fachgebiet, ist manchmal gar nicht so leicht zu beantworten. Dies kann man sehr gut an der Behandlung von Bandscheibenvorfällen erkennen. Eine geraume Zeit wurde sehr häufig operiert, aktuell stellt man fest, dass oft zu früh operiert wurde.

Einen ersten Hinweis dazu, was aktuell Facharztstandard ist, geben Leitlinien für Ärzte. In der Praxis kommt es darauf an, was der Sachverständige im Prozess als Standard ansieht.

Wichtig ist für den Patienten, dass nicht jede Behandlung, nach der es ihm schlechter geht als vorher, ein Behandlungsfehler sein muss. Ein Behandlungsfehler ist es nur dann, wenn der Arzt ihn nicht so behandelt hat, wie es der aktuelle Facharztstandard ist.

Da drängt sich gleich eine Gegenfrage auf:

Ist dann jede neue Behandlungsmethode ein Behandlungsfehler? Natürlich nicht, sonst könnte keinerlei neue Behandlungsmethode entwickelt werden, was für viele Patienten sicher dramatische Konsequenzen hätte. Allerdings muß der Arzt, der eine neue Behandlungsmethode anwendet, den Patienten noch umfangreicher aufklären, als bei einer altbekannten Therapie und er muss immer die Nebenwirkungen und die Fachliteratur im Auge haben.

Ein einfacher Behandlungsfehler ist in der Regel nur ein kleiner Etappensieg. Der Patient muss nämlich bei einem einfachen Behandlungsfehler immer noch nachweisen, dass der bei ihm eingetretene Gesundheitsschaden auf der fehlerhaften Behandlung beruht. Das gelingt tatsächlich nur ganz selten.

 

Grober Behandlungsfehler

Wenn der Behandlungsfehler sich als grober Verstoß gegen den Facharztstandard herausstellt, stellt sich für den Kläger eine Beweisumkehr ein. Bei einem groben Behandlungsfehler ist der Arzt wieder in der Pflicht, er muss sich nun entlasten.

Nur sehr wenige Behandlungsfehler werden letztlich vom Gericht als grobe Behandlungsfehler eingestuft. Es muß ein so grober Verstoß gegen den fachlichen Standard sein, dass es schlichtweg unverständlich ist und ein gewissenhafter Kollege (in der Regel der Sachverständige im Prozess) die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Flapsig gesagt: Jeder kennt das alte Sprichwort, wonach eine Krähe der anderen angeblich kein Auge aushackt. Vorausgesetzt, dies stimmt, ist ein grober Behandlungsfehler dann gegeben, sobald die Krähe sagt: Sowas macht keine Krähe, das macht höchstens eine Amsel!

 

Diagnoseirrtum

Ärzte dürfen irren, so einfach ist der Grundsatz zusammenzufassen. 

Ein Diagnosefehler führt also eher selten zur Haftung des Arztes. Dies ist deshalb so geregelt, weil es in vielen Fällen gar nicht so einfach ist, sofort die richtige Diagnose zu stellen. Häufig zeigt jeder Patient unterschiedlich starke Symptome, selbst bei gleichen Erkrankungen. Wenn dann kein eindeutiger Test zur Verfügung steht, ist das Finden der richtigen Diagnose manchmal durchaus knifflig.

Trotzdem gibt es natürlich Grenzen. Hier kommt es darauf an, ob der Diagnosefehler vorwerfbar ist. Ein vorwerfbarer Diagnoseirrtum ist wie ein einfacher Behandlungsfehler nur ein halber Sieg. Der Patient muss immernoch nachweisen, dass die fehlerhafte Diagnose auch zu seinem Gesundheitsschaden geführt hat.

Ist der Arzt gar auf der völlig falschen Fährte, kann ein sog. fundamentalen Diagnosefehler vorliegen mit einer entscheidenden Erleichterung der Beweislast wie beim groben Behandlungsfehler.

 

Befunderhebungsfehler

 Ein Befunderhebungsfehler ist dann gegeben, wenn der Arzt gebotene Untersuchungen unterlässt. Dadurch irrt er meistens auch gleichzeitig über die Diagnose (s.o.) oder die Schwere der Erkrankung. Ein Befunderhebungsfehler führt zu einer entsprechenden Haftung wie ein Behandlungsfehler. Die Unwissenheit des Arztes schützt diesen nicht davor, am Ende Schmerzensgeld zahlen zu müssen.

Dokumentation

Die Dokumentation ist in der Regel unleserlich oder zumindest unvollständig. Das schadet dem Arzt im Arzthaftungsrecht allerdings nur, wenn dadurch die Qualität der  Behandlung beeinträchtigt wird. Der Arzt muss nicht dokumentieren, um später im Arzthaftungsprozess seine Unschuld zu beweisen, der Arzt muss dokumentieren, damit Nachbehandler später (oder er selbst) wissen, was zu tun ist.

 

Das Gesetz

Der Behandlungsvertrag und die Rechte des Patienten sind in den §§ 630 a bis 630 h BGB geregelt. Allerdings haben diese Paragraphen eine sehr lange Geschichte, die man nicht vergessen sollte, wenn man diese Regelungen liest. Sie sind nämlich erst im Jahr 2013 in das bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen wurden. Zuvor gab es keine konkrete Regelung im Gesetz. Aufgrund jahrzehntelanger Praxis der Gerichte hatten sich einige Grundsätze gebildet, die nun ins Gesetz geschrieben wurde. Wie es immer so ist, wenn man aus tausenden von Seiten richterlicher Rechtsprechung insgesamt nur acht Paragrafen schmiedet: Im Zweifel orientiert sich jeder Richter immer noch an der bisherigen Rechtsprechung. Zumal es die eine oder andere Norm gibt, die von Richtern auch als mißverständlich kritisiert wird. Für den Patienten heißt das: Das Gesetz gibt eine Orientierung, die tatsächliche Anwendung des Gesetzes sollte nur zusammen mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung erfolgen. So wie die Tablette in der Regel ja auch mit einem Glas Wasser verabreicht wird...

 

Komplikation

Fast jede Behandlung ist mit irgendeinem Gesundheitsrisiko verbunden. Es gibt Risiken, die sehr häufig auftreten und über die der Arzt immer den Patienten vor der Behandlung aufklären muss. Diese Risiken nennt man auch Komplikationen.

Beispiel: Wundheilungsstörung nach Operation

Nichts desto Trotz kann der Arzt auch für das Eintreten einer Komplikation haften. Z.B. weil er nicht sorgfältig über diese Komplikation aufgeklärt hat, oder weil er nicht fachgerecht gehandelt hat, als die Komplikation eingetreten ist.

Beispiel: Der Arzt schreibt dem Patienten per Email, er soll Kamillenbäder gegen die Wundheilungsstörung anwenden, anstatt beim Arzt vorzusprechen.